Eine kleine Geschichte des Ökohauses Frankfurt

Einige mögen sich noch erinnern: ein warmer Frühsommertag und -abend, Ende Mai 1992. Einweihungsfeier des Ökohauses. CARO Druck und die Kühl KG waren schon am Jahreswechsel 1991/92 in ein teilweise noch nicht fertiges Haus eingezogen. Die "taz" wurde seit Jahresbeginn schon in den neuen Druckerei-Räumen produziert. Dann, Ende Mai 1992, waren die restlichen Mieter aus dem ehemaligen KBW-Haus in der Mainzer Landstraße umgezogen und die neuen Mieter eingezogen.


Die Arbeiten am und im Haus waren noch immer nicht abge-schlossen: augenfällig war, dass der vordere Teich nicht dicht war – innerhalb von zwei Tagen war der Wasserspiegel auf die Hälfte gefallen. Die Bepflanzung der Terrassen mit den vielbeschworenen bis zu sechs Meter hohen Bäumen, Büschen und Rasen fehlte noch.


Zur Einweihungsfeier kamen dann viele Leute aus der Stadt, aber auch Interessierte von Nah und Fern. So viel, dass die Kalkulationen für Getränke und Speisen über den Haufen geworfen wurden. Noch am Abend musste nachgeordert werden. Auch die Feier selbst hatte ihre Probleme: Die Energieversorgung in der Küche des Bistros fiel aus – auf einem Holzkohlegrill wurde das Notwendigste heiß gemacht. Einige waren durch das vielgestaltige Haus beeindruckt und von den Ideen, die dort verwirklicht werden sollten. Andere hatten sich einer Führung des Architekten durch das Haus angeschlossen. Dabei wurden sie von den Ideen des Architekten, die er mit und in dem Haus verwirklichen wollte, beeindruckt:  ein „synergetischer Bau-Organismus“ sei das, wie die „FAZ“ ihn zitierte.


Nun, das Haus ist längt fertiggestellt. Die Teiche sind (einigermaßen) dicht. Die Kois, ihre Nachkommen und die Schleierschwänze (ihre Nachkommen und Kreuzungen mit ausgesetzten Newroz-Fische) sind im vorderen Teich vor dem Eingang ein Blickfang für Jung und Alt. Jedenfalls bis vor zwei Jahren: damals wurde die Schaar der Kois von einem Virus radikal dezimiert.


Der Feind lauert freilich auch auf der Insel oder auf der Dachkante: der Graureiher, seine Heimat ist der Rebstockweiher oder die Griesheimer Schleuse. Seine Leckerbissen versucht er bei uns im Teich zu finden. Wegen seiner Schönheit scheiden sich an ihm die Geister – spätestens wenn er mit schlackerndem Kehlkopfbeutel von dannen fliegt.


Im hinteren Teich sind heimische Fischarten wie Gründlinge, Moderlieschen, Stichlinge und Co meist unter grüner Entengrütze verborgen. Auf der Wasseroberfläche entwickeln sich im Sommer viele Seerosen.


Die Terrassen sind alle mit Büschen, Bäumen und diversen Grünflächenpflanzen besetzt. Die Bäume haben in vielen Fällen die versprochenen sechs Meter Höhe weit überschritten.


Manche Terrassen werden von den Mietern intensiv genutzt: Ziersträucher, Blumenrabatten, schwarzer, normaler Bambus, Weißdorn und Glyzinien schmücken die einen – auf anderen werden Tomaten, Melonen und Kartoffeln angebaut und geerntet. Andere Terrassen fristen dagegen als Raucherfreiplätze Ihr Dasein.


Bald drei Jahrzehnte Ökohaus bedeutet auch für viele – rund ein Drittel – der Mieter und ihre Beschäftigten bald 30 Jahre hier im Ökohaus sein und zu arbeiten. Viele sind später eingezogen, aber inzwischen auch schon lange Jahre hier. Einige neue Mieter und ihre Beschäftigten haben wir in den letzten Jahren begrüßen dürfen.


Aber wir haben in vielen Jahren auch einige verloren: Der Bund deutscher Pfadfinder (BDP), der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V. (IAF), der VbFF – Verein zur beruflichen Förderung von Frauen e.V., deren Raumnachfragen wir nicht bedienen konnten bzw. die auch Angebote bekamen, die sie als weitgehend von der öffentlichen Förderung abhängigen Einrichtungen finanziell nicht ablehnen konnten. Das einstige Büro der Grünen zog nach Wiesbaden zum Parlament und zur Landesregierung. Besonders bedauerlich und bedeutend war, dass CARO Druck GmbH, die Druckerei der "taz" hier im Haus, am Jahresende 2012 den Betrieb einstellen musste. Da der Entwurf und Bau des Ökohauses konzeptionell in Teilen auf die Druckerei zugeschnitten war, hatte und hat der Wegfall der Druckerei auch Folgen für den Betrieb des Hauses.


Das Bonmot der Hausbesitzer, dass ein Haus nie fertig sei, gilt vielleicht in besonderer Weise für das Ökohaus: Im Entwurf und mit dem Bau des Ökohauses sollte gezeigt werden, was im Bereich des gewerblichen Bauens im Feld der Ökologie und in der Baubiologie vor bald 30 Jahren möglich und vielleicht auch notwendig gewesen war. Das Interessante dabei war eigentlich nicht, Einzelaspekte bis zum Letzten auszuloten, sondern das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren, Techniken und Materialien zu ermöglichen, um in einem Gewerbebau ein angenehmes Leben und Arbeiten zu gewährleisten und gleichzeitig mit den endlichen Ressourcen sparsam und verantwortlich umzugehen. Und die Erfahrungen sollten anderen Interessierten zur Verfügung stehen.


Schwerpunkte dabei waren einmal der Energieeinsatz und die Steuerung bei der Wärmeerzeugung und -verteilung. Hier haben wir nach wenigen Jahren die ursprünglich eingebaute Wärmepumpe, die Wärme aus der Druckerei in das Heizsystem des Gesamthauses transformieren sollte, gegen drei kleine Blockheizkraftwerke ausgetauscht, die neben der Wärme die elektrische Grundlast des Hauses lieferten. Außerdem senkten sie die Spitzen beim elektrischen Energieverbrauch der Druckerei.


Der zweite große Bereich war die Binnen-Klimatisierung durch die Glashäuser und deren Pflanzen. Hier mussten wir die ursprünglich vorgesehenen Hauptbepflanzung mit verschiedenen Bambussorten durch andere, besser dem schwierigen Standort angepassten Pflanzensorten (Ficus, Palmen etc.) ersetzen. Der freigesetzte Bambus hat sich nun hinter dem Haus zu einem veritablen Wald entwickelt.


In der nächsten Zeit werden Investitionen und Entscheidungen anstehen, die die Fortexistenz des Ökohauses Frankfurt sichern sollen. Eine neue Energieerzeugung mittels einer Heizkessel-kaskade ist schon in Gang gesetzt. Der Haupteingang und der Steg über den vorderen Teich wurden erneuert, damit sie den Anforderungen der Zeit genügen.


Nach langer und schwerer Anlaufzeit sind die Baumaßnahmen zur Umnutzung der ehemaligen Druckerei-Räume im Jahr 2023 abgeschlossen worden.


Zum Jahresanfang 2018 ist eine Ökohaus Frankfurt-Stiftung gegründet worden und wird der Belegschaftsverein Kühl e.V. in den Verein Ökohaus Frankfurt e.V. überführt. Das sind Maßnahmen, um auf der Eigentümerseite die Fortexistenz des Ökohauses dauerhaft sicherzustellen.

Vor-Geschichte: Mainzer Landstraße 147

Im Jahr 1977 beschließt auf einer Delegierten-Konferenz die kleine maoistische Organisation namens Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) in Frankfurt ein leerstehendes Haus zu kaufen. Für das Objekt in der Mainzer Landstraße werden unter dem Motto „die Bourgeoisie mit dem Geldsack“ schlagen circa 3,3 Millionen DM gesammelt und das Haus mit der Nr. 147 gekauft und baulich in die „Zentrale“ des KBW verwandelt. Ab 1980 beginnt die Organisation zu zerfallen und das Haus geht Stück für Stück in der Selbstverwaltung der dort Arbeiten-den über. Hinzukommen als Mieter andere soziale Organisationen und Initiativen und alternative Betriebe.


Im Jahr 1988 kommt es zu einer merkwürdigen Zufallskonstellation in der Stadt Frankfurt:

Eine Großbank, deren Spitze auf drei Standorte aufgeteilt ist und die dieses ändern will und muss, sucht dringend einen geeigneten Baugrund.

Der Häuserkampf im Westend hat dazu geführt, dass die Stadtregierungen vom Bauen in der Innenstadt am liebsten Abstand nehmen wollen.

Ein Speer-Plan sieht die Neuentwicklung von Hochhäusern auf Entwicklungsachsen vor – eben auch auf der Mainzer Landstraße.

Hinzu kommt eine CDU-Stadtregierung, die an ihrem Ende versucht, diesen Plan mit aller Kraft durchzudrücken.


Die alternativen Nutzer des Hauses sehen sich von der „Bank an ihrer Seite“ plötzlich von allen Seiten umzingelt, doch kommt dabei die Bank selbst unter Druck, Zugeständnisse an die Besitzer des Hauses machen zu müssen.


So kommt es in der Mainzer Landstraße 147 zu einer Situation, die niemand vorhergesehen hat. Und es gibt Leute, die eine Chance sehen einen Bau zu entwickeln, den es so bisher noch nicht gegeben hat. Und auch in diesem Zusammentreffen von verschiedenen Personen und Institutionen wird das Neue von Zufällen geprägt.


Das Haus in der Mainzer Landstraße 147 wurde zwischenzeitlich abgerissen.

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